Feministisches Streikkino


  Drama von Mahamat-Saleh Haroun, Tschad, 2021, OV Arab, F/d, 87 Minuten

Lingui

Am Rande der Stadt N’Djamena im Tschad lebt Amina allein mit ihrer 15-jährigen Tochter Maria. Als diese schwanger wird, bricht ihre ohnehin schon fragile Welt zusammen. Im Land wird die Abtreibung nicht nur von der Religion verurteilt, sie wird auch vom Gesetz geahndet. Vereint mit den Frauen des Quartiers kämpft Amina für die Selbstbestimmung ihrer Tochter. Ein starkes Plädoyer für die Kraft der weiblichen Solidarität.

Amina verdient ihren kargen Lebensunterhalt mit der Herstellung kleiner Feuerschalen, die sie mit grosser Handfertigkeit aus dem Draht alter LKW-Reifen bildet. Recycling pur. Ihre Tochter Maria besucht das Lycée. Sie kennt ihren Vater nicht, denn der hat die Mutter verlassen, nachdem er sie geschwängert hatte. Amina wurde damals von der Schule verwiesen und von ihrer Familie ausgestossen. Nun droht der Tochter das gleiche Schicksal. Maria will abtreiben, die Mutter beschliesst, sie zu unterstützen. In einem Land, in dem das Gesetz streng bestraft und die Religion eine einschränkende moralische Macht ausübt, wirkt der Kampf aussichtslos. Wie anderswo ist die heimliche Abtreibung teuer, wenn sie unter guten Bedingungen durchgeführt wird.

Mahamat-Saleh Haroun greift ein universelles Thema auf, das leider immer noch aktuell ist, nicht nur in Afrika – auch in Europa gibt es immer noch restriktive Gesetze, die von rückschrittlichen Parlamenten verabschiedet werden oder wurden. Der tschadische Filmemacher nimmt sich des Themas auf seine Weise an, beobachtet die Umgebung genau, taucht in die Vororte des pulsierenden N’Djamena ein, nähert sich in ihren Gassen den Menschen, die sie beleben. Die erste Sequenz zeigt dies beispielhaft. Die Kamera folgt der harten Arbeit von Amina, die ihre Kohlebecken herstellt und dann versucht, sie für ein paar tausend CFA-Francs zu verkaufen. Es liegt eine Poesie in diesen Bildern, die in der Thematik wie in der Betrachtungsweise an den italienischen Neorealismus erinnert. Am meisten berührt uns jedoch die Solidarität der Frauen – das «heilige Band», das das titelgebende Wort Lingui meint. Im Lauf der Handlung entdecken Mutter Amina und Tochter Maria, dass sie nicht so isoliert sind, wie sie dachten, und dass sie es sind, die Geschichte machen.